Kammergericht setzt Heilpraktikerwerbung enge Grenzen (Colon-Hydro, Stoffwechselkuren, Bachblüten)


Das Kammergericht in Berlin hat in einem Berufungsverfahren ein Urteil verkündet, welches an rechtlicher Strenge gegenüber Heilpraktikern nur schwer zu überbieten sein dürfte. Das Gericht hat verdeutlicht, dass die Werbemöglichkeiten von Heilpraktikern für naturheilkundliche Behandlungsverfahren sehr, sehr beschränkt sind. Insbesondere die Internetpräsenz kann deshalb abmahngefährdet sein. Da in Berlin auch einer der maßgeblichen Wettbewerbsverbände ansässig ist, sollten insbesondere (aber nicht nur) Heilpraktiker aus dieser Region sich mit der Sichtweise des Gerichts vertraut machen. Sobald das Urteil veröffentlicht ist, werde ich darüber informieren. Ich möchte hier bereits auf ein paar Aussagen verweisen, die das Gericht für unzulässig hält. Vorsorglich möchte ich darauf hinweisen, dass ich die Rechtsprechung in diesem Punkt für „überzogen“ halte. Statt von einem mündigen Patienten auszugehen, der Werbeaussagen richtig einordnen kann, halten es die Gericht für erforderlich, jede Irreführungsgefahr auszuschließen – selbst im „feinstofflichen Bereich“. Das Urteil ist rechtskräftig.

Untersagt wurde: „Darmsanierung/Darmreinigung“

Das Gericht begründet dies wie folgt: „Jedenfalls im Kontext der konkreten Verletzungsform mit der vorangestellten Grundannahme vom Vorhandensein und der permanenten Bildung von Schadstoffen im Darm versteht der angesprochene Verkehr auch den Begriff der ,,Darmreinigung“ nicht nur im schlichten Sinne eines Erleichterung verschaffenden Ausspülens von Kotresten, sondern auch im weitergehenden Sinne einer Krankheitsbehandlung.“

Sofern Sie das Wort „Darmreinigung“ in der Werbung benutzen, müssen Sie somit zwingend auf den Kontext achten. Bereits dieses Wort kann abmahnbar sein.

Untersagt wurde: „Basisbehandlung für weitere Behandlungen“

Das Gericht begründet dies wie folgt: Wenn sich Patienten wegen Krankheitssymptomen nach Behandlungsmöglichkeiten umsehen und ihnen nahegelegt wird, dass die Colon-Hydro-Therapie, deren gesundheitlicher Nutzen wissenschaftlich ungesichert ist, sich als Einstieg bzw. Basis für die weitere Heilbehandlung anböte, versteht der Verkehr dies nicht nur dahingehend, ,,dass diese Behandlung mit weiteren Verfahren kombiniert werden kann.“ Er versteht sie als ersten Schritt der Heilbehandlung, mit der sich eine heilende Wirkung erzielen lässt.

Auch die Werbung für Bachblüten wird rigoros untersagt. Hier die betroffenen Aussagen:

„Dr. Edward Bach … Seine 38 gefundenen Heilpflanzen … beeinflussen harmonisch unser Gemüts- und Seelenleben und ist dem Menschen bei bestimmten Gefühlen wie Trauer, Hass, Verzweiflung, Unsicherheit, Eifersucht oder Neid eine hilfreiche Stütze“,

„Ein Leiden oder eine Krankheit sind Hinweise darauf, dass wir nicht im Einklang mit uns selbst leben. Die Bachblüten ermöglichen eine Transformation, die zur Entwicklung der eigenen Individualität führt“,

„Die Behandlung mit den Bachblüten befreit uns von negativen Zuständen, reinigt die Seele und soll dem Menschen ermöglichen seine eigentlichen Ziele zu finden. Darüber hinaus soll die Behandlung dienlich sein, Freude, Zufriedenheit und Gesundheit zu erlangen“,

„Die Bachblüten nehmen Einfluss auf der feinstofflichen Ebene, auf das Energiesystem und die Gedanken und Gefühlswelt des Menschen“,

„Die durch die Essenzen gewonnene Harmonie, hat Wirkung auch auf den physischen Körper und fördert die Gesundung und Gesunderhaltung“,

„Bachblüten sind Hilfsmittel für alle Menschen, die sich in einem persönlichen Wachstumsprozess befinden und ihr Leben verändern wollen“,

„Schwingungen für positive Lebensqualität. Jeder der 38 Bachblüten besitzt eine Schwingung, eine spezifische Qualität, die einem bestimmten menschlichen Gemütszustand entspricht. Fehlt einem Menschen, diese Schwingung, drückt sich das in der negativen Qualität aus, z.B. Hass oder Unmut. Mit Hilfe der der Blütenessenzen kann diese Schwingung im Menschen entwickelt werden, was sich dann in der positiven Qualität wiederspiegelt – in unserem Beispiel in Liebe und Fürsorglichkeit“.

 

 

 

 

 

6 Kommentare zu “Kammergericht setzt Heilpraktikerwerbung enge Grenzen (Colon-Hydro, Stoffwechselkuren, Bachblüten)

  1. isaberu

    Das ist echt der Knaller. Während HP fast nichts mehr schreiben dürfen und wegen Nichtigkeiten abgemahnt werden, ufert die Werbung von selbst ernannten Gurus, Präventologen und Gesundheitsberatern immer mehr aus. Das ist gelinde gesagt das Allerletzte. Die dürfen machen was sie wollen, sie diagnostizieren und therapieren und keiner macht was dagegen (heisst dann harmlos beraten).

    1. Sandra

      Isaberu, genau so sieht es aus. Ich frage mich wo das noch hinführen soll….

  2. HoPi

    Ich bin erschüttert!!! Gesunder Menschenverstand adieu! Wer hat denn so viel Angst, vor Heilpraktikern? Aber gerade deshalb wird sich die Naturheilkunde immer mehr durchsetzen. Mehr kann ich dazu nicht mehr sagen.

  3. Esperantia

    Auch ich finde diese Urteil total überzogen. Wenn ich mir allerdings anschaue wie „Kollegen“ in Berlin auf dubiosen Plattformen wie Groupon etc. Behandlungen zu Dumpingpreisen anbieten und dann Massenabfertigung für 15 Euro die Stunde betreiben (müssen) dann bin ich doch auch für mehr Kontrolle was das Heilmittel Werbegesetz betrifft!!!

  4. Conny

    Ich halte das Urteil auch für völlig überzogen. Vor alles das mit Bachblüten. In die Sätze könnte man statt Bachblüten auch anderes einsetzen. Soll nun jeder Sätz auf der Homepage mit könnte / möglicherweise / vielleicht etc. geschrieben werden? Wie soll sich das am Ende lesen? Ich glaube, dass eine aktuelle Gegenargumentation / Rechtsvertretung auch mehr die Selbstbestimmung und die Informationsfähigkeit des Patienten im heutigen Internetzeitalter berücksichtigen muss. Der Patient ist mündig und kann sich über alle Behandlungsformen fundierte medizinische Informationen im Internet holen, ggf. Videos auf you tube dazu anschauen, medizinische Fachartikel zum Theme lesen, etc.. Der Patient muss nicht mit solchen Urteilen entmündigt werden. Das ist völlig am Zeitgeist vorbei.

  5. Hp.Ulrike

    Ich habe das Gefühl das hier systematisch der Berufsstand des Heilpraktikers vernichtet wird.
    Nach meiner neuesten Info wollen Ärzte jetzt auch die Hyaluronsäure verschreibungspflichtig machen lassen „zum Schutz der Patienten“!
    Wie schon oben erwähnt sind selbsternannte Coaches unterwegs die Heilversprechen machen und denen schaut keiner auf die Finger, das schlimme ist, das die auch einen riesigen Zulauf haben.
    Erst das Eigenblut, jetzt die Darmsanierung und Bachblüten…was kommt als nächstes?

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