Die Bundesregierung will missbräuchliche Abmahnungen verringern. Der aktuelle Referentenentwurf des Justizministeriums eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs sieht hierzu zahlreiche sinnvolle Maßnahmen vor. Ob er Heilpraktiker vor Abmahnungen schützt, erscheint jedoch fraglich:
Folgende Maßnahmen sind positiv zu bewerten:
1.) „Kernvorschlag des Gesetzesentwurfs ist der Ausschluss des Aufwendungsersatzes für Mitbewerber und qualifizierte Wirtschaftsverbände bei unerheblichen Verstößen.“
2.) „Als weitere wichtige Maßnahme wird der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt. Dies schützt Heilpraktiker davor, dass einstweilige Verfügungen gezielt bei weit entfernten Gerichten beantragt werden, um die Rechtsverteidigung zu erschweren.“
3.) „Daneben werden die Anforderungen an die Anspruchsberechtigung von Wettbewerbern und Wirtschaftsverbänden erhöht sowie die Möglichkeit zur Geltendmachung von Gegenansprüchen vereinfacht. Die Anspruchsberechtigung der Wirtschaftsverbände wird davon abhängig gemacht, dass sie auf einer Liste der so genannten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die Voraussetzungen der Eintragung und deren fortgehende Erfüllung werden vom Bundesamt für Justiz (BfJ) überprüft. Die Berichts- und Mitteilungspflichten von qualifizierten Wirtschaftsverbänden sowie qualifizierten Einrichtungen werden erweitert.“
4.) „Zudem wird die Geltendmachung von Gegenansprüchen durch die Abgemahnten erleichtert. In bestimmten Fällen wird eine missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen durch den Abmahnenden vermutet. Abmahnungen müssen klar festgelegte Informationen enthalten. Abgemahnte haben einen Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Kosten gegen den Abmahnenden, wenn die Abmahnung ungerechtfertigt ist oder nicht die erforderlichen Informationen enthält.“
Diese Maßnahmen erscheinen sinnvoll und dürften die Zahl der Abmahnungen tatsächlich verringern. Der Gesetzesvorstoß verdient deshalb Zustimmung. Insbesondere Punkt 3 erschwert es neuen Kleinstverbänden Abmahnungen auszusprechen. Gerade hier wurden in der Vergangenheit Versuche beobachtet, Verbände mit nur wenigen Mitgliedern zu gründen, um anschließend Abmahnungen auszusprechen. Dies wäre nach dem Entwurf kaum noch möglich. Allerdings dürften die maßgeblichen Wettbewerbsverbände die neuen Voraussetzungen erfüllen. Diese wären dann zukünftig stets klagebefugt. Zudem dürften professionelle Wettbewerbsverbände nach dem Entwurf geforderten (formalen) Voraussetzungen einer Abmahnung erfüllen können. Allerdings dürfte der Entwurf positive Auswirkungen auf die Höhe der geforderten Vertragsstrafen haben. Die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes dürfte sich ebenfalls kaum auswirken, da die maßgeblichen Wettbewerbsverbände bereits jetzt zumeist am Sitz des Heilpraktikers klagen.
Heilpraktiker sind oftmals von zivilrechtlichen Abmahnungen durch Wettbewerbsverbände betroffen. Gerügt wird zumeist ein Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Irreführungsverbot. Dies besteht darin, dass nicht mit wissenschaftlich nicht nachweisbaren Heilaussagen geworben werden darf. Die betroffenen Heilpraktiker stehen meist vor der Wahl, sehr zeitnah (innerhalb weniger Tage) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben oder sich dem Risiko eines Gerichtsverfahrens auszusetzen.
Im ersten Fall besteht das Risiko, dass bereits kurz nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung Vertragsstrafen wegen angeblicher Verstöße gegen die Unterlassungserklärung eingefordert werden. Sofern Heilpraktiker aufgrund dieses Risikos keine Vertragsstrafe versprechen, sondern den Klageweg vorziehen, werden oftmals sehr hohe Streitwerte von den klagenden Verbänden angesetzt (z.B. 75.000 €). Das hierdurch hervorgerufene Prozesskostenrisiko führt dazu, dass die Heilpraktiker die Klage aus faktischen bzw. finanziellen Zwängen anerkennen müssen. Nach meiner Kenntnis ist die Finanzausstattung der abmahnenden Verbände derart hoch, dass Prozesse mühelos über sämtliche Instanzen geführt werden können. Das hervorgerufene mögliche Prozesskostenrisiko können Heilpraktiker hingegen nicht in Kauf nehmen.
Da es sich bei diesen Verstößen nicht um unerhebliche Verstöße im Sinne des Gesetzentwurfs handelt, hilft dieser hier nur beschränkt weiter. Es sollten deshalb weitere Maßnahmen für kleinere Unternehmen und Freiberufler angedacht werden.
Diese können darin bestehen, dass verbindliche Streitwertgrenzen oder Streitwertvorgaben auch für nicht unerhebliche Verstöße vorgegeben werden. Zudem sollte intensiv geprüft werden, ob durch gesetzliche Maßnahmen Alternativen zum Instrument der strafbewehrten Unterlassungserklärung eingeführt werden könnten, wie z.B. eine notarielle Unterlassungserklärung. Denn insbesondere die Zahlung der Vertragsstrafe an den abmahnenden Verband stellt einen unangemessenen wirtschaftlichen Anreiz dafür dar, Folgeverstöße zu provozieren. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass im Rahmen der Abmahnung nicht sämtliche „kerngleichen“ Verstöße gerügt werden, sondern für die Zeit nach Abgabe der Unterlassungserklärung aufgespart werden. Zudem können vom abgemahnten Heilpraktiker übersehene anderweitige Werbemaßnahmen nach Abgabe einer Unterlassungserklärung zur Zahlung existenzbedrohender Vertragsstrafen führen.