Das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen dient dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher. Diese sollen vor der Gefahr einer unzureichenden Behandlung geschützt werden, die durch die Fernbehandlung hervorgerufen werden kann. Der BGH hat nochmals verdeutlicht, dass dies auch dann gilt, wenn die Behandlung als solche berufsrechtlich NICHT verboten ist. Das Verbot gilt deshalb auch für Heilpraktiker und Geistheiler. Der BGH formuliert: (BGH, Urteil vom 09.12.2021 – I ZR 146/20)
„(3) Gegen eine Abhängigkeit des Werbeverbots von der berufsrechtlichen Unzulässigkeit der beworbenen Fernbehandlung spricht zudem der Sinn und Zweck des § 9 HWG aF, so dass eine teleologische Reduktion seines Anwendungsbereichs durch ein ungeschriebenes Merkmal der berufsrechtlichen Unzulässigkeit der Fernbehandlung nicht in Betracht kommt. Das Werbeverbot im Sinne von § 9 HWG aF zielt auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit und individueller Gesundheitsinteressen (Bülow/Ring aaO § 9 Rn. 1). Es beruht auf dem Gedanken, dass die Fernbehandlung ein besonderes Gefahrenpotential für die Gesundheit birgt und es sich bei der Fernbehandlung um eine verkürzte und damit grundsätzlich bedenkliche Behandlungsform handelt, für die werbliche Anreize umfassend ausgeschlossen werden sollen (Braun, MedR 2018, 563, 565 mwN). Es soll verhindert werden, dass einer nicht auf persönlicher Inaugenscheinnahme und Untersuchung des Patienten durch den Arzt beruhenden Fernbehandlung durch Werbung Vorschub geleistet wird (Zimmermann in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser aaO § 28 Rn. 100). Damit ist das in der Fernbehandlung selbst liegende Gefahrenpotential zwar Anlass, nicht aber Voraussetzung für das Werbeverbot gemäß § 9 HWG. Die Vorschrift formuliert vielmehr einen abstrakten Gefährdungstatbestand (KG, GRUR-RS 2019, 40959 Rn. 16 f.; Pfohl in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Mai 2021, § 9 HWG Rn. 1; Bülow/Ring aaO § 9 HWG Rn. 1; Braun, MedR 2018, 563, 565 mwN). Das Werbeverbot dient dem Gesundheitsschutz unabhängig von der berufsrechtlichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der beworbenen Fernbehandlung, weil die Werbung für sich genommen eine Gesundheitsgefahr begründen kann. So kann eine Werbung für eine Fernbehandlung auch oder gerade dann die Gesundheitsbelange eines Kranken beeinträchtigen, wenn die beworbene Fernbehandlung tatsächlich nicht oder von einer Person durchgeführt wird, die – wie unseriöse Anbieter oder Scharlatane – nicht an berufsrechtliche Regelungen gebunden sind. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass sich ein Kranker aufgrund der Werbung zunächst an jemanden wendet, der ihm vermeintlich eine Fernbehandlung anbietet, wodurch möglicherweise wertvolle Zeit verloren wird (vgl. Doepner/Reese in BeckOK.HWG aaO § 9 Rn. 30 mwN; KG, GRUR-RS 2019, 40959 Rn. 17). Das Werbeverbot trägt damit der Erkenntnis Rechnung, dass sich gerade die Anonymität einer Fernbehandlung für die Tätigkeit nicht seriös arbeitender „Heilkundiger“ anbietet (Gröning in Gröning/Mand/Reinhart aaO § 9 HWG Rn. 3 mwN).“