Der „Vater“ der Heilpraktiker – ein Nicht-Heilpraktiker


Bei meiner Recherche für das Rechtsgutachten bin ich auf einen interessanten Punkt gestoßen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24. Januar 1957 – I C 194.54 –, BVerwGE 4, 250-258 den vorher verstellten Zugang zum Heilpraktikerberuf wieder ermöglicht. Es hat den fundamentalen Grundsatz aufgestellt:

Das Heilpraktikergesetz ist weiterhin mit der Maßgabe gültig, daß jeder Antragsteller zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung zuzulassen ist, wenn er die sich aus der 1. DVO § 2 Abs 1, der 2. DVO § 1 ergebenden und nicht infolge ihres nationalsozialistischen Charakters außer Kraft getretenen Voraussetzungen erfüllt.

Und was war mit dem Kläger, der dieses wegweisende Urteil erkämpft hatte? Es hat ihm nicht geholfen, denn das Gericht hat ihm eine schwere strafrechtliche Verfehlung zur Last gelegt und deshalb die Zulassungsvoraussetzungen verneint. Er war für den vorzeitigen Tod eines Patienten verantwortlich, dessen Tuberkulose er im Jahre 1938 (!!!) nicht erkannt hatte. Er wurde wegen dieser Tat im Jahr 1940 wegen berufsfahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Nach meinen Recherchen handelte es sich bei dem Kläger um einen Wunderheiler, der wiederholt mit dem (Heilpraktiker-)Gesetz in Konflikt geraten ist. Er war eine sehr umstrittene Person, die sich selbst nicht als Heilpraktiker verstanden hat, sondern eher auf rituelle Heilung abzielte. Das Gericht hat (wohl) folgerichtig die nach § 2 Abs. 1 Buchst. f der 1. DVOHPG erforderliche sittliche Zuverlässigkeit verneint und aus diesem Grund eine Heilpraktiker-Erlaubnis abgelehnt. Dem Kläger fehle die berufliche Zuverlässigkeit und die charakterliche Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung der Heilkunde. Eine aus heutiger Sicht zwar harte Entscheidung, denn zwischenzeitlich waren fast 20 Jahre vergangen und der Kläger hatte seine Strafe für diese Tat verbüßt. Zudem attestierte das Gericht ihm einen guten persönlichen Eindruck. Allerdings lassen meine Recherchen den Schluss zu, dass die berufliche Zuverlässigkeit des Klägers tatsächlich problematisch war. So wurde er im Januar 1958 wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz und wegen fahrlässiger Tötung erneut verurteilt.

Das ist eine sehr interessante Wendung: Der „Retter“ des Heilpraktikerberufs hat sich selbst nicht als Heilpraktiker bzw. Heilkundler, sondern als „Wunderheiler“ eingestuft. Die letzte Pointe dürfte sein, dass der Kläger seit dem „Geistheilerbeschlüssen“ des Bundesverfassungsgericht seine Tätigkeit wohl ohne Heilpraktikererlaubnis hätte ausüben dürfen. Solche Wendungen machen das Heilpraktikerrecht so spannend!

Vorsorglich ein Hinweis: Es handelt sich hier um eine historische Schilderung. Daraus, dass der Kläger damals umstritten war, lassen sich keine negativen Rückschlüsse auf den heutigen Heilpraktikerberuf ziehen. Vielmehr hat bereits in dieser ersten Entscheidung die „Schutzwirkung“ des HeilprG funktioniert; der Kläger erhielt keine Erlaubnis.